Ansprache zur Jahreslosung 2024

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

1. Korintherbrief 16,14 (Einheitsübersetzung)

 

Liebe Gemeinde,

ich erzähle ihnen nichts neues, wenn ich sage, dass die Bibel immer wieder hohe und manchmal unerfüllbare Ansprüche an unser Leben stellt. Ja, das kann uns zur Verzweiflung bringen. Sie erzählt von Nächsten- und Feindesliebe, genauso wie sie von Überwachung und Beobachtung erzählt. Diese Bilder tragen wir in unseren Alltag rein: Pass nur gut auf, der Liebe Gott sieht alles. Schon das allein, kann manchmal sehr unangenehm werden. Gott wird zu einem Detektiv, Spurensucher, misstrauischem Wesen, dass unser Leben beobachtet und nur darauf zu warten scheint, dass wir etwas anstellen um dann die rechte Strafe wirken zu lassen.

Oder ist das nur unser eigenes Misstrauen, das wir da in Gottes Mund legen. Dir traue ich nicht, aber weil ich es nicht nachweisen kann, da sage ich dir lieber, dass Gott alles sieht was du machst. Alles, was ich verwerflich finde. Also pass auf.

Da wird die Nächstenliebe, Feindesliebe zweitrangig. Und vor allem: „Wenn ich mit einem Finger den anderen Zurechtweise und darauf hinweise, dann zeigen drei Finger dabei auch auf mich“ Diese drei Finger vergessen wir wohl gerne. Aber sie sollen uns heute vielleicht auch mit der Jahreslosung ein wenig helfen. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“

Diese Worte sind teil des Schlusses von Paulus Brief an die Gemeinde in Korinth: Die Gemeinde in der bunten und multikulturellen Handels- und Hafenstadt ist wie ihre Umgebung durch kulturelle, religiöse und soziale Vielfalt geprägt. Hier fanden sich jüdische und nichtjüdische Menschen aus allen Nationen ein, sozial Unterprivilegierte und Angehörige der Oberschicht, Gebildete und weniger Gebildete, praktisch Veranlagte und die mit »zwei linken Händen«. Klar, dass hier der Streit vorprogrammiert war. Für Paulus sind die Spaltungen und Parteienbildungen in der Gemeinde das drängendste Problem. Deshalb zieht sich der Aufruf zu Eintracht und Einheit wie ein roter Faden durch den Brief – So eben auch am Schluss.

Die Liebe und der Zusammenhalt in der Gemeinschaft wird zur Richtschnur. Weniger der Glaube an Christus oder Gottestreue – hierzu ruft Paulus nicht auf. Glaube und Gottestreue sind erst möglich, wenn diese Gemeinschaft in ihrer Verbundenheit gestärkt ist und sie sind dann wichtig, wenn es darum geht, wie Liebe und Zusammenhalt gelebt werden soll. Der Leib zu dem die Gemeinde zusammengehört, als der Leib Jesu Christi, an dem ein jeder Aufgabe aber auch Anteil hat. Dazu gehört. Die Liebe die er mit Glaube und Hoffnung in Verbindung bringt, aber eben beide übersteigt. Das sind zwei der Hauptthemen seines 1. Korintherbriefes. Und zum Schluss eben die Mahnung: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. So übersetzt es die Einheitsübersetzung – als Bibeltext für dieses Jahr. Und egal, welche Bibelübersetzung man nun für sich persönlich hernehmen möchte, für das Bibelwort der Jahreslosung, der Inhalt und die Wichtigen Worte sind überall die selben: Panta – alles und agapä – Liebe.

Nun aber kommen wir genau zu diesen beiden Worten:

Alles – im griechischen Panta. Mit diesem Wort beginnt unsere Überforderung. Was bedeutet dieses Alles für Paulus? Ist es ein Anspruch auf Allumfassendes in dieser Welt? Wirklich auf alles. An jeden und alles gerichtet? Gerade heute, gerade in der Zerrissenheit dieser Welt? In den Konflikten und Bedrohungen? In meinen Augen, wäre dieses „Alles“ für keinen Menschen machbar. Egal wie sehr er sich müht. Dieses Alles ist auch nicht für die gesamte Weltbevölkerung machbar und sicherlich auch nicht von Paulus so gewünscht. Ganz egal ob Religiös oder nicht. Der Wunsch nach einem persönlich guten und erfüllten Leben hat eine jede und ein jeder. Aber eben auch den Drang nach Verbesserung. Aufstieg. Das ein jeder dieses Panta gleich auslegt, das kann ich mir auf dieser Erde nicht vorstellen und das konnte Paulus sicherlich ebensowenig. Vermutlich aber wollte Paulus im kleinen Anfangen. Alles was du tun kannst, das soll mit Liebe geschehen. Aber selbst das kostet eine hohe Bereitschaft. Es ist Arbeit. Denn genau dieses Alles im kleinen, bedeutet, dass ich immer wieder, bei allem, was ich tue auf mich schaue. Und so kommen wir zu den drei Fingern, die auf mich zeigen, wenn ich auf einen Anderen deute. Diesen drei Fingern möchte ich heute eine Bedeutung zuweisen. Nämlich Glaube, Hoffnung, Liebe. Wenn ich nun auf mein gegenüber zeige, stelle ich mir die Fragen: Tue ich dies nun aus Liebe, weil ich merke, dass durch diese Tat des Anderen unsere Gemeinschaft gefährdet ist? Tue ich es aus Hoffnung, weil ich darauf hoffe, dass sich so das Verhalten für unsere Gemeinschaft verändert? Oder tue ich es aus Glauben, weil ich befürchte, dass mein Gegenüber in einer Krise steckt, aus der er sich nicht anders zu helfen weiß. Und diese kleine Fingerübung lässt sich in unserem Alltag vielleicht in diesem Jahr einstudieren.

Und nun ist da noch die Liebe – Agapä – oder besser gesagt die gemeinschaftliche Nächstenliebe. In Liebe zu entscheiden ist nicht immer leicht, denn Liebe kann weh tun. Agape bedeutet nämlich für die Gemeinschaft, für die Beziehung miteinander eigene Wünsche, Ansprüche auch einmal hinten an zu stellen. Ich muss mich von Gewohnheiten lösen. Liebe heißt auch die unangenehmen Worte ehrlich miteinander zu teilen. Es ist ein schwerer Auftrag den Gott durch Paulus an mich und uns richtet: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

Was das bedeutet, das zeigt uns jedes Jahr aufs Neue das Weihnachtsfest. Alles, was du, Gott, tust geschieht in der Liebe. Du selbst wirst Mensch wie wir, um uns diese Botschaft und diesen Auftrag vorzuleben. In der Liebe Freundschaften finden, Beziehung haben, einander sehen, selbst dann, wenn wir uns verstecken. Zu leiden, weil die Botschaft nicht gehört oder umso schneller vergessen wird. Heute noch ein Hosianna und Halleluja morgen ein Kreuzige ihn und übermorgen will niemand mehr etwas von dieser Botschaft wissen. In Liebe aber kommst du jedes Jahr aufs Neue zu uns. Du suchst die Beziehung zu uns, so wie wir die Beziehung untereinander suchen. Nicht nur auf leidenschaftlicher Ebene, sondern, weil wir aufeinander angewiesen sind und uns mit unseren Fähigkeiten ergänzen sollen. Du ermahnst uns immer wieder, uns an deiner Botschaft zu orientieren. Wege zu gehen, auch wenn sie nicht leicht sind. Aber wenn wir diese Wege in Liebe gehen, dann trägt diese Liebesgemeinschaft. Alles, was wir tun, wollen wir in Liebe geschehen lassen.

Und so gehen wir in dieses neue Jahr mit diesem Liebesgebot von Paulus. Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. Selbst dann, wenn wir einander zurechtweisen, dann geschehe dies in Liebe, Hoffnung und Glaube.

Amen.